Mutter Freak, Tochter Freak
Wie Eltern ihre Kinder Prägen und ein klassisches Beispiel darüber, wie man als Elternteil eine zwanghafte oder paranoide Persönlichkeitsstörung unbehelligt an den Nachwuchs weiterreicht. Hier die Geschichte eines jungen Mannes, der sich in die Tochter eines Freaks des Kontrollwahns verliebte.
Da lernt ein junger Mann also ein Mädchen kennen. Sie ziert sich. Er bemüht sich. Alles verläuft wie üblich. Alles verläuft wie erlernt. Wie es bereits die Generationen vor den Zweien es machten. Anfangs ist ja meist alles rosarot und himmelblau. Gemeinsame Spaziergänge im Park. Dem Vogelgezwitscher lauschen. Traute Zweisamkeit. Die Wochen vergehen. Und plötzlich macht sich in der jungen Liebe – oder sagen wir treffender – „auch“ der Alltag rar und Gewohnheiten manifestieren sich. Gewohnheiten sind ja an und für sich nichts all zu Schlimmes, wenn sie anhand des gegenseitig empfundenen Vertrauens entstehen.
Unser junger Mann hingegen steht vor einem fremd verursachten Problem, das sich „Kontrollwahn“ nennt. Er hat sich nächtelang den Kopf darüber zerbrochen, welchen Anlass zur Kontrolle er seiner jungen Freundin denn gegeben haben mag, dass sie ihm, durch ihre penedrante Art, inzwischen sein Wohlbefinden kostet. Er kam einfach nicht dahinter, bis eines Tages, ihre Mutter zum Abendessen lud. Pünktlich um acht traf das junge Paar bei ihrer Mutter im Elternhaushalt ein. Sie, von Beruf Hausfrau und Lehrerin. Ihr Gatte und Vater der Tochter, nicht zuhause. Angeblich bei einer Konzernbesprechung in Basel, also unterwegs im Namen seines Dienstgebers.
Aus der Küche roch es köstlich nach Schnitzel und Kartoffelauflauf. Kurz plaudert man unbefangen über die Anreise, das Wetter und den Duft aus der Küche, bittet die Hausfrau auch schon zu Tisch. Unser junger Mann, nichts Besonderes im Sinne, sitzt am Esstisch und lässt seine Blicke durch den Raum gleiten. Aus dem Wohnzimmer fällt blaues Licht in den Flur, diesen gerade die Katze entlang geht, als auch schon die Hausfrau mit der Schnitzelplatte ums Eck biegt: „Das ist der Aquarium der hier leuchtet. Die Fische wollte mein Mann, die Katze ich. Ich mag Fisch. Aber tot und gebraten eben. Nicht lebend, stinkend und pflegebedürftig.“
„Weiß ihr Mann, dass Sie keine lebenden Fische mögen?“, fragte unser Gast zögerlich. Nein, natürlich nicht. Er sei sensibel und könne mit derartigen Offenheiten nicht umgehen. Die Fische reichen ihr vollends als Pflegefall.
„Mama Mark ist Vegetarier.“ Die Hausfrau stellt das Essen ab, sieht Mark an und sagt: „Macht nichts. Aber ein Schnitzerl kannst schon essen Mark, das Schwein wurde ja schon geschlachtet. Außerdem ist das ein Bio-Schwein.“ Die Tochter unterbricht erneut und fragt, ob Papa sich schon gemeldet hat. Die Hausfrau sieht auf die Uhr, die gleich neben dem Esstisch an der Wand hängt. Es ist 21:18 Uhr. Hektisch greift sie sich ihr Handy, zischelt leise „verdammt“ und verschwindet mit ihrem Telefon im Flur.
Bei Tisch bricht derweilen ein Streit vom Zaun wegen Marks Essgewohnheiten die nicht normal seien und vor allem darüber, dass wenn er das Essen verweigere, sie sich keine größere Respektlosigkeit vorstellen könne. Als die Hausfrau wieder zurück bei Tisch ist, entgeht ihr die aufgebrachte Haltung ihrer Tochter zwar nicht, doch gedankenabwesend teilt sie das Essen auf. Als sie sich wieder hinsetzt fragt die Tochter ob alles in Ordnung sei. „Ja, ja. Alles bestens bei Papa. Fast so gut wie letztes Jahr. Du weißt Bescheid. Ich lass ihm einfach zu viel Freiraum. Und du weißt ja was dabei rauskommt.“
Mark hört aufmerksam zu. Bei ihm macht sich ein beklemmendes Gefühl breit während er aufmerksam der verschlüsselten Kommunikation zwischen Mutter und Tochter lauscht. Natürlich ahnt er, worum es in diesem Gespräch geht. Plötzlich fällt ihm ein, dass ihn seine Freundin eigentlich immer dann anruft, wenn er sich mit seinen Freunden trifft. Auch ruft sie ihn an Tagen an, an denen sie sich nicht sehen. Meist gegen 21:15 Uhr herum. Ein Gedanke jagt den Nächsten und er fragt sich ob seine Freundin ihn zwecks Kontrolle anruft. Er blickt auf die Uhr. Da fällt ihm ein, dass die Mutter seiner Freundin ein leises „verdammt“ von sich ließ. Er kann es sich nicht verkneifen, also fragt er: „Rufen Sie ihren Mann immer um die gleiche Zeit an, wenn er außer Haus ist?“
Sichtlich verwirrt blickt die Hausfrau Mark an bis sie antwortet. „Nein, nicht immer. Meine Mutter hat mir beigebracht, dass eine Frau nie abschätzbar sein darf. Daran halte ich mich. Meine gute Mutti. Sie ist heute noch glücklich verheiratet. Sie sagte immer, Männer sind wie Kinder. Lässt man sie im Süßigkeitenladen auf sich alleine gestellt, dann nehmen sie sich einfach das wonach ihnen ist.“ Mark erwidert: „Und durch die Anrufe vergeht ihrem Mann die Lust nach Süßigkeiten oder wollen Sie nur wissen ob er sich etwa im Süßigkeitenladen aufhält?“ Die Tochter unterbricht lautstark mit: „Mark, das langt aber. Du bist heute eigenartig!“ Diese Unterbrechung schmeckte Mark überhaupt nicht. Nichts destotrotz hielt er sich an diesem Abend zurück obwohl er gerne eine Antwort auf seine Frage gehabt hätte. Doch auch ohne einer Antwort wurde Mark klar, dass seine Freundin nur das macht, was ihr von der Mutter gelehrt wurde. Immerhin prägen Eltern ihre Kinder. Also nahm sich Mark vor, seiner Freundin ein aufrichtiger Mann zu sein. Das fällt ihm leicht. Immerhin ist er ja gerade verliebt in sie.
Und die Moral der Geschichte: Ein Hund kam in die Küche und stahl dem Koch ein Ei … .
Freak bleibt Freak und erst recht, wenn der zukünftige Freak vom Vorgängerfreak bereits mit dem Freakgen aufgeimpft wurde. Ebenso machen Männer seit Generationen, über viele Jahrhunderte hinweg immer dasselbe – auch daran wird sich nichts ändern. Ebenso wird sich auch an der Tatsache nichts ändern, dass es Menschen gibt, die sich gerne mit Kontrollwahnsinnigen-Freaks umgeben, diese gar verehelichen. Dass hinter diesem Vorgehen auch eine Gestörtheit befindet ließe sich gewiss leicht als diese identifizieren. Es ist also alles „normal“ und passend, ergo entsprechend dieser Gesellschaft in der wir uns geographisch befinden.
Links zu diesem Thema:
Macht und Kontrollzwang in der Liebe
Gestörte Familienstrukturen und –prozesse
Manie: http://www.psychosoziale-gesundheit.net/seele/manie.html